Kostenlose Büchereien für alle!

illustration einer holzhand, die ein buch in der hand hält

Medien, Kultur, Gesellschaft • Lesezeit: 3 Min.

Seit dem 01.04.2024 kann jeder in der Stadtbibliothek Flensburg Bücher kostenlos ausleihen! Ja, richtig gelesen! Und nein, es ist kein Aprilscherz. Die Stadtblibliothek schrieb in ihrer Mitteilung: „Wir freuen uns sehr Ihnen mitteilen zu können, dass wir in der Stadtbibliothek ab dem 1. April 2024 keine Jahresentgelte mehr erheben.“


Politiker und Vorsitzender des Flensburger Kulturausschusses Daniel Dürkop (SSW) gab das bereits Mitte Februar bekannt: „Mit der kostenlosen Ausleihe von Büchern nach skandinavischem Vorbild wird Flensburg Vorreiter in Schleswig-Holstein. Laut einer Studie aus dem Jahre 2023 muss man in Deutschland fast immer eine Jahresgebühr zahlen, wenn man eine öffentliche Bibliothek nutzt. Das gilt insbesondere in Schleswig-Holstein.“

Bibliotheken als wichtiger Erstkontakt zu Wissen

Von dieser Überzeugung, Bibliotheken kostenlos für jeden zugänglich zu machen, könnten sich einige hierzulande eine Scheibe abschneiden. Wenn ich dabei an meine eigene Kindheit zurückdenke, war die Stadtbücherei in meiner Heimatstadt Frankenberg/Sa. immer mein kleiner Zufluchtsort. Nachdem ich in der Grundschule das erste Mal mit meiner Klasse in der Kinderbibliothek war, war ich fortan regelmäßiger Lesegast.

Für mich hat sich als Kind eine ganz neue Welt geöffnet und ich war froh, dass meine Eltern den, wenn auch relativ kleinen, jährlichen Beitrag stämmen konnten. Das war bei vielen Freunden nämlich leider nicht der Fall. Da war selbst ein Zugang zur Bücherei für viele Familien zu teuer. Dabei können gerade Kinder in Büchereien wirklich viel lernen, wenn sie denn Interesse am Lesen haben.

Aber oftmals bieten Bibliotheken auch nicht nur Bücher an. Die Kinderbücherei in Frankenberg hatte damals einen PC, den man täglich eine halbe Stunde nutzen durfte, wenn man sich anmeldete. Zudem gab es Brettspiele, Kartenspiele und Filme sowie Musik. Ohne das alles, wäre meine Kindheit am Ende nicht halb so schön gewesen, weil ich mir so viele Dinge erschließen konnte, die ich ohne die Bücherei niemals in dem Alter erfahren oder lernen hätte können.

Damals legte die Kinderblibliothek und mein Interesse an Sprachen den Grunstock für mein berufliches Dasein. Ich lieh mir als 7-Jähriger ein Russischwörterbuch aus und lernte damals innerhalb von vier Wochen Leihfrist das Schreiben und Lesen der kyrillischen Schrift. Wohl einer der Gründe, wieso ich fortan auch so fasziniert war von der slavischen Welt.

Bücherei als Kulturgut

Wir brauchen flächendeckend kostenlose Büchereien für alle, denn leider ist es immer noch so, dass sich Menschen die Jahresbeiträge nicht leisten können, auch wenn diese nich allzu hoch erscheinen. Die Stadtbücherei Flensburg geht einen guten Weg und sendet ein Signal an alle, denen Kultur in Form von Büchern, Filmen und Musik wichtig ist und die allen Menschen einen möglichst niedrigschwelligen Zugang dazu geben wollen. Nur: Man muss es sich leisten wollen. Der Kapitalismus lässt es leider nicht in Gänze zu, dass Kommunen diese Kosten alle insgesamt tragen und auf Einnahmen aus Büchereigebühren verzichten können. Zudem spielt der Staat die Kultur zugunsten höherer Militärausgaben ohnehin aus.

Und so bleiben kostenlose Büchereien in der Minderheit. Insgesamt gibt es in Deutschland von etwa 4500 kommunalen Bibliotheken gerade einmal knapp 40, bei denen ein Büchereiausweis nichts kostet. Davon abgesehen nimmt die Zahl der Büchereien weiterhin ab und das Angebot, freien Zugang zu Büchern und weiteren Medien zu bekommen wird kleiner. Konkret wurden von 2015 bis 2022 genau 439 kommunale Bibliotheken geschlossen.

Plädoyer für die Nutzung von Büchereien!

Deshalb: Wer es kann und eine kommunale Bibliothek in seinem Ort hat, sollte sich einen Mitgliedsausweis holen und regelmäßig Bücher ausleihen! Denn nur, wenn wir auch unsere Bibliotheken nutzen, können wir sie weiter erhalten. Denn solange unser Wirtschaftssystem weitestgehend auf Profit aus ist, sind alle Menschen gefragt, Kulturgüter zu erhalten, die das Geld dafür übrig haben.

 
 

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Reik Kneisel

Ich lebe in Kiel, komme ursprünglich aus Mittelsachen. Beruflich bin ich Projektmanager, Verleger und Herausgeber. Ich bin studierter Slavist und Kunsthistoriker. Seit Frühjahr 2024 betreibe ich das Online-Magazin Polylux sowie das Verlagshaus Reik Kneisel.

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