Serie „Eine Billion Dollar“ – Kritik am Kapitalismus sieht anders aus

MedienMeinung| Lesezeit: 3 Min.

ACHTUNG SPOILER! Was würdest du mit einer Billion Dollar anstellen, wenn du sie erben würdest? Diese Frage stellt man sich direkt zu Beginn der Serie. Denn genau darum geht es: Ein mittelloser Fahrradkurier erbt eine Billion Dollar. Jedoch nicht einfach so: Sein Vorfahre gibt noch eine Aufgabe mit dem Erbe weiter. Seit 15. August 2024 ist die Serie „Eine Billion Dollar“ auf MagentaTV streambar.


Eine Billion Dollar ist gar nicht mal so wenig

John Pohlmann, wie er zu Beginn der Serie noch heißt, arbeitet als Fahrradkurier in Berlin. Eines Tages steht unbekannter Besuch vor seiner Tür. Der Besucher ist Erbenermittler und fragt nach einer DNA-Probe. Natürlich nicht für lau, John bekommt 4.000 Euro für seine Speichelprobe. Er denkt sich nichts dabei, was kann schon schiefgehen. Erben würde er sowieso nichts.

Doch dann kommt wenig später die Nachricht, dass John unbedingt nach Italien muss. Villa Vacchi wird für einige Zeit das neue Zuhause des Kurierfahrers, denn dort wird er auf sein Erbe vorbereitet: John Pohlmann ist eigentlich Giovanni Fontanelli, ein Nachfahre von Giacomo Fontanelli, der 500 Jahre zuvor ein Testament hinterließ, welches es in sich hat. Er hinterlässt seinen gesamten irdischen Besitz, den er bis dahin angehäuft hatte. Aus den umgerechnet wenigen 1.000 Dollar sind über die letzten 500 Jahre eine Billion geworden. Doch das Erbe hat einen Haken, denn der Erbe, der nach dem Testament im Jahre 2023 der jüngste Nachfahre sein muss, der nach mittelalterlichen Recht volljährig ist (also 25 Jahre), bekommt nicht nur die Billion Dollar, sondern die Bürde, der Menschheit ihre Zukunft zurückzugeben. Wie das der Erbe anstellen soll, bleibt offen.

Dabei ist eine Billion Dollar nicht gerade wenig Geld. Was würde man damit wohl anfangen, wenn man in die komfortable Lage gebracht worden wäre, plötzlich der reichste Mensch der Welt zu sein? Und noch viel wichtiger: Wie würde man mit dem Geld versuchen zu Welt zu retten?

John ist sich unschlüssig. Er lässt er sich zwischenzeitlich noch bequatschen, das Erbe für ein paar Millionen Dollar auszuschlagen und seinem nächst-jüngeren Erben weiterzugeben. Doch die starke Frau im Schauspiel, Franca Vacchi schafft es, John zu überzeugen, sich dem Erbe anzunehmen und seiner Verantwortung zu stellen.

Zuerst wirft John mit Geld um sich. Doch schnell holt ihn das Leben auf den Boden der Tatsachen zurück. Er braucht einen Plan, wie er die Prophezeiung Fontanellis umsetzen kann. Letztlich lässt John sich von Francas Ideen so beeinflussen, dass er ein riesiges Unternehmen aufbaut, um „aktivistische Investitionen“ zu tätigen.

Der Plan zum Scheitern verurteilt?

Zu Beginn glaubt man als normal arbeitender Mensch wahrscheinlich, dass es eine gute Idee ist, kluge Investitionen zu machen, sich in wichtige Unternehmen Mehrheiten zu verschaffen, um dort eine Zeitenwende einzuleiten. Doch wer den Kapitalismus kennt, der weiß auch, dass er nicht so leicht zu bändigen ist.

John holt sich ein paar kluge Köpfe in sein Team, die ihn nun fleißig in Unternehmen einkaufen. Die ersten Clous gehen gut. So konnte John vor allem Leute seiner eigenen Generation davon überzeugen ebenso „kluge“ Investitionen zu tätigen. Doch dann will es John auch mit dem zweitreichsten Menschen der Welt aufnehmen. Dieser war bisher unangefochtene Spitze im Rich-People-Ranking und jetzt abgeschlagen auf Platz zwei, lässt sich hier nicht linken. Er will sich nicht aus seinem eigenen Unternehmen verdrängen lassen und so seinen angestammten Platz in der Besten-Liste verlieren. Doch John ist ambitioniert. Er holt im Laufe der Zeit sogar die US-Regierung auf seine Seite. Plötzlich wendet sich das Blatt. Johns Rivale verschwindet und wird Tage später tot an der Küste Floridas aufgefunden. John wird sofort des Mordes bezichtigt und taucht unter. Sein Untertauchen führt unmittelbar global dazu, dass sämtliche Märkte einbrechen und es zum finanziellen Kollaps kommen soll.

Franca sieht das globale Finanzsystem in Gefahr – und hier ist der erste Bruch in der gesamten Story – aus den vermeintlichen Weltrettern werden plötzlich diejenigen, die eigentlich den Kapitalismus erhalten und jetzt explizit ihn retten wollen, obwohl sie in der ganzen Serie über auch immer wieder Kritik an der dubiosen „Weerter“-Gruppe (die reichsten Unternehmer weltweit, die die Weltpolitik steuern) üben und diese entmachten wollen.

Parallel dazu hatte eine Unbekannte versucht einen weiteren Erben, der in der Reihenfolge der übernächste nach John gewesen wäre, zu pushen. Dieser war in seinen jungen Jahren noch formbar und die unbekannte Frau trieb ihn in eine antikapitalistische Richtung, die er sich voll annahm. Nach ein paar Verstrickungen untereinander kam ans Licht, dass die Unbekannte eigentlich die verschollene Großtante von Franca , Elena Vacchi gewesen ist. Ihr Plan war es mit dem anderen Erben, Luc Fontanelli, das Finanzsystem zu zerstören und ein völlig neues Gesellschafts- und Wirtschaftssystem (ein Sozialistisches?) aufzubauen. So weit, so gut: Die Gruppe um Elena übernimmt letztlich kurzer Hand Johns Unternehmen und leitet den globalen Crash ein. Am Ende der Serie wird offen gelassen, ob es nun noch zur in der Serie angedeuteten Rettung des Kapitalismus kommt oder sich etwa Elena Vacchi durchsetzen konnte.

Einfach antikommunistische Kritik am Kapitalismus

Was können wir aus der Serie Mitnehmen? Letztlich ist am Ende klar, dass in der Serie zwar Kritik geübt wird, aber die Falsche! Die Serie prangert zwar Umweltzerstörung und Ungleichheit weltweit an, jedoch zieht sie nicht die Schlüsse daraus, die man vielleicht nach Marx ziehen würde. Für die Hauptcharaktere des Schauspiels ist klar, dass der Kapitalismus im Kern gut ist und man ihn eben nur zügeln müsse, um die Welt zu verbessern. Es geht schlichtweg darum, dass es weiterhin in Ordnung sein soll, dass Menschen massenhaft Reichtum anhäufen können, um finanziell besser dazustehen, als 80 % der Weltbevölkerung. Es werden Pläne geschmiedet, die zwar in geringem Maße vielleicht den Klimawandel abschwächen würden, jedoch würden sie die Grundproblematiken, die dieses Wirtschafts- und Gesellschaftsproblem hat, nicht angehen und beseitigen wollen.

Diejenigen, die wirklich den Kapitalismus als Wurzel des Problems sehen, die werden in Hollywood-Manier als Rivalen und Bösewichte aufgebauscht und verteufelt. Antikommunismus wird in dieser Serie ziemlich großgeschrieben. Das geht soweit, dass die Hauptfigur, John Fontanelli, am Ende sogar mit den sogenannten Weertern (Erklärung siehe oben), die er zuvor noch quasi „enteignen“ wollte, kooperieren will, um den Finanzkapitalismus künstlich am Leben zu erhalten. Was ist das für eine pseudokritische Liebeserklärung an das räuberischste aller Wirtschaftssysteme?

Die Serie begann ziemlich spannend und war durchaus auch bis zuletzt wirklich so, dass man als Zuschaueren dranbleiben musste, jedoch nahm diese antikommunistische Wendung am Ende viel Potential als dem Gesamtwerk. Die Serie ist mehr Schein als Sein und eine wirkliche Kapitalismuskritik oder einfach Kritik an sozialer Ungleichheit bleibt aus. Aus den ambitionierten Plänen, die Johns Vorfahre Giacomo Fontanelli einst hatte, blieb zum Schluss nichts mehr. Wahrscheinlich hatte sich Giacomo keinen Sozialismus bzw. Kommunismus vorgestellt, aber wohl trotzdem eine gerechte Welt und keine, in der Geld alles ist und man ohne Geld nichts ist. Die zentrale kritische Aussage der Serie ist eigentlich eine Lobeshymne auf all die Ungerechtigkeiten, die durch das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, in dem wir aktuell leben, hervorgerufen werden. Schade!

 
 

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Reik Kneisel

Ich lebe in Kiel, komme ursprünglich aus Mittelsachen. Beruflich bin ich Projektmanager, Verleger und Herausgeber. Ich bin studierter Slavist und Kunsthistoriker. Seit Frühjahr 2024 betreibe ich das Online-Magazin Polylux sowie das Verlagshaus Reik Kneisel.

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