Wo sind meine Wurzeln?

GesellschaftMedien|Lesezeit: 3 Min.

In den letzten Jahren ist die Ahnenforschung für viele Menschen wieder interessanter geworden. Nicht zuletzt, weil Archive ihre Dokumente digitalisieren und so einer breiten Masse online zur Verfügung stellen. Die Familienforschung oder Genealogie, wie die Populärwissenschaft auch heißt, ist ein weitläufiges Feld. Wie beginnt man am besten mit seiner eigenen Familienforschung?


Alles beginnt mit Stift, Zettel und Gesprächen

Wer ernsthaft Familienforschung betreiben will, beginnt am besten mit Gesprächen. Denn die ersten Informationen, die man sammeln kann, erfährt man aller Wahrscheinlichkeit nach bei den ältesten Personen in der eigenen Familie. Wer also noch Großeltern oder sogar vielleicht Urgroßeltern hat, sollte die Chance nutzen, und sie um ein kleines Interview bitten.

Das Wichtige bei diesen Gesprächen ist: Ausreden lassen! Unterbrich deine Gesprächspartner niemals. Schreibe dir alle wichtigen Informationen auf, die du herausfiltern kannst und schreibe dir am besten auch alle Fragen auf, die dir in diesem Zusammenhang einfallen. Da es hier nicht um ein journalistisches Interview geht und du die Zeit einplanen kannst, die derjenige benötigt, um etwas aus zu erzählen, auch wenn es mal länger dauert. Oft kommen aber so sehr wertvolle Dinge an die Oberfläche, die jemand in einem anderen Gespräch vielleicht niemals erzählt hätte oder so nicht mehr darauf gekommen wäre.

Dorf Druzhba bei Orenburg im heutigen Russland. Dort kommt ein Teil der Vorfahren des Autors Reik Kneisel her

Dorf Druzhba bei Orenburg im heutigen Russland. Dort kommt ein Teil der Vorfahren des Autors Reik Kneisel her. Quelle: Youtube.com.

Die ersten Gespräche geben dir jetzt also schon einmal eine Grundlage für Ansatzpunkte weiterer Forschung. So kann man danach schon den eigenen Stammbaum bis auf die dritte oder vierte Generation rekonstruieren, zumindest mit Namen und vielleicht einem Geburtsjahr und -ort. Den Stammbaum kann man sich fürs Erste ruhig auf einem Blatt Papier aufzeichnen und dort Informationen sammeln.

Urkunden und Familienstammbücher als wichtige Quelle

In den Gesprächen kommt vielleicht auf, dass es noch alte Urkunden und vielleicht sogar Familienstammbücher gibt. Wenn du so etwas findest, dann ist das für die Familienforschung wirklich Gold wert. Urkunden, also Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden geben oftmals Aufschluss über weitere Verwandtschaftsverhältnisse. In vielen Fällen sind Eltern mit Berufen und Adressen vermerkt.

Familienstammbücher sind dabei eine Sammlung genau dieser Dokumente. Heutzutage sind Stammbücher eigentlich nur lose Blattsammlungen von Urkunden. Früher gab es tatsächlich vorgedruckte Bücher, in denen alle Dokumente gebunden waren. Diese Bücher sind wahre Fundgruben für Familienforscher, denn sie konzentrieren sehr viele Informationen über einen Familienstamm. Ein Stammbuch bekommt ja ein Paar, welches heiratet. In dem Stammbuch befinden sich also folglich Angaben zum Hochzeitspaar selbst, zu deren Eltern, vielleicht sogar zu deren Großeltern. Und dann werden über die Jahre auch Informationen über Geburten von Kindern gesammelt. Wenn man Glück hat, hat dann noch jemand zusätzliche Daten gesammelt und diese im Buch verewigt, vielleicht zu weiteren Verwandten wie Onkels und Tanten und deren Nachkommen.

Titelblatt eines historischen Familienstammbuches

Titelblatt eines historischen Familienstammbuches. Quelle: Wikimedia.

Archivierung und Sortierung

Nach und nach sammeln sich nun Informationen an, die gut sortiert werden müssen. Hier lohnt es sich, einen guten Weg der Archivierung für sich zu suchen. Einige Leute arbeiten hier mit Heftern oder Ordner, andere mit Mappen. Wichtig ist dabei auch, dass man sich gut überlegt, nach welchen Kriterien man sortiert: Ob nach Nachnamen, Familienlinien oder anderen Systemen wie beispielsweise der Kekulé-Nummerierung.

Dabei funktioniert diese Nummerierung relativ einfach: Diejenige Person, die die Forschung betreibt und im Stammbaum sozusagen der Startpunkt ist, ist immer die Nummer eins. Danach geht die Zählung von der väterlichen Linie an weiter, also Vater ist Nummer zwei, Mutter ist Nummer drei. So wird dann Generation für Generation weitergezählt, immer beginnend von der männlichen Stammlinie väterlicherseits zur äußeren weiblichen Linie mütterlicherseits. Nicht bekannte Personen werden dabei fiktiv mitgezählt.

Das ergibt eine eindeutige Nummerierungsfolge für die eigene Familienforschung und hilft, Daten und Fakten eindeutig einer Kekulé-Nummer und damit einer bestimmten Person zuzuordnen. Das einzige Problem ist, dass diese Nummerierung nur die direkten Vorfahren beachten. Seitenlinien, also beispielsweise Onkels und Tanten, werden außer Acht gelassen.

Digitale Genealogie und echte Archive

Wer gern digital unterwegs ist, der kann sich eine der vielen Programme heraussuchen oder browserbasiert seine Daten sammeln. Browserbasiert zu arbeiten hat den großen Vorteil, dass gewisse System direkt an sehr große digitale Urkundenbestände angekoppelt sind, die man für seine eigene Recherche heranziehen kann. Es gibt da einige Anbieter, wie Ancesty oder MyHeritage, die neben der Möglichkeit, den Stammbaum digital aufstellen zu können, in einem Abo-Modell den Zugriff auf ihre gesammelten Dokumente geben. Familienforschung in Deutschland hat dabei den Vorteil, dass bereits sehr viele Digitalisate aus Standesämtern und Archiven in den Systemen vorhanden sind. So findet man mit hoher Wahrscheinlichkeit Dokumente, die zu seiner eigenen Familie passen.

Leider gibt es aber auch viele Archive, die keinerlei Daten onlinestellen, weshalb man dann wiederum darauf angewiesen ist, auch Archive vor Ort anzufragen oder selbst zu besuchen. Man kann in Archiven so gezielt nach Personen fragen, zu denen man Auskunft will. Die Archive stellen dann gegen Gebühr Forschung an und kopieren auf Wunsch die jeweiligen Urkunden, die im Bestand sind.

Auseinandersetzung mit schönen und schwierigen Ereignissen

Bevor man sich jedoch auf die Reise der Familienforschung begibt, sollte man sich bewusst sein, dass es vorkommen kann, dass es durchaus nicht nur positive Ereignisse gibt, die man entdeckt. Oftmals erfährt man auch etwas über sehr schmerzvolle Ereignisse wie Deportation, Leid, Hunger oder auch Mord. Dessen sollte man sich unbedingt bewusst sein. Wer Probleme damit hat, sich mit solchen Gegebenheiten auseinanderzusetzen, sollte sich gut überlegen, ob er Familienforschung betreibt, denn solche Entdeckungen können psychisch belastend sein.

Wenn man sich damit sicher fühlt, steht einem aber dann nichts mehr im Wege, die eigene Geschichte und die Wurzeln der Familie entdecken zu können. Wer dann schon einen größeren Fundus an Archivalien und Dokumenten hat, sollte überlegen, seine Familiengeschichte vielleicht auch in Form einer Familienchronik niederzuschreiben. Das eignet sich in der richtigen Form als Geschenk für ältere Verwandte oder einfach nur als gut aufbereitete Dokumentation für einen selbst. Hier lassen sich auch Erzählungen, Anekdoten und Fotos sowie Kopien von Dokumenten verarbeiten und systematisch aufbereiten.

 
illustration vieler briefumschläge

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Reik Kneisel

Ich lebe in Kiel, komme ursprünglich aus Mittelsachen. Beruflich bin ich Projektmanager, Verleger und Herausgeber. Ich bin studierter Slavist und Kunsthistoriker. Seit Frühjahr 2024 betreibe ich das Online-Magazin Polylux sowie das Verlagshaus Reik Kneisel.

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