Die weißen Bonzen von Sylt
Meinung • Gesellschaft | Lesezeit: 2 Min.
Spätestens nach dem rassistischen Vorfall auf Sylt spricht man in Deutschland wieder über Rassismus. Doch schauen wir uns diese Debatte etwas genauer an, bemerken wir schnell, dass derartige Diskussionen in Deutschland eigentlich nur den Charakter einer Farce haben.
Rassismus gibt es in Deutschland ja nicht erst seit dem 18.05.2024. Viele migrantisch gelesene Menschen auf Deutschlands Straßen haben tatsächlich ständig mit Rassismus zu tun. Ob das nun ein verächtlicher Blick ist, weil eine Frau ein Hijab trägt oder ob eine Person etwas aggressives in ihrem deutschen Bart murmelt und damit einen Mann beleidigen will, der muslimisch gesehen wird. Ganz zu schweigen von Rassismus gegenüber Menschen mit Akzent im Gesprochenen.
Das Problem daran ist nur, dass dieser Rassismus wieder so salonfähig geworden ist, dass niemand mehr darüber spricht. Es wird als „normal“ angesehen, dass Menschen auf der Straße wegen Äußerlichkeiten angefeindet werden. Es ist wieder hipp, seinen nach Gewürzen riechenden Nachbarn auszugrenzen und ihn dafür moralisch zu verurteilen, sein Essen mit mehr als nur Salz und Pfeffer abzuschmecken (How dare you?!).
Der Alltagsrassismus ist in jeder gesellschaftlichen Gruppe angekommen und wird eifrig prakitiziert. Sobald beispielsweise irgendwo ein neuer Nachbar einzieht, der nicht als bio-deutsch gelesen wird, stellt sich für viele Hausbewohner direkt die Frage: Wo kommt diese Person nun wirklich her, selbst wenn sie selbst erklärt, dass sie in Berlin geboren wurde? Kann man ihr trauen? Ist es etwa ein Terrorist, der sich da sein Hauptquartier einrichtet?
Deshalb ist es umso schlimmer, dass jetzt die gesamte Republik den Moralischen macht und es so darstellt, als ob das etwas Außergewöhnliches wäre, wenn da weiße Bonzen auf Sylt zusammenkommen und rassistische Parolen singen und den H*tler-Gruß zeigen.
Ein gesellschaftliches Problem: Alltagsrassismus
Funk hatte dazu übrigens recherchiert: Seit Oktober 2023 ist das tatsächlich schon mindestens 30 Mal passiert – und das sind nur die bekannten Vorfälle. Man kann davon ausgehen, dass wohl Vorfälle auch einfach nicht publik geworden sind, wenn in Hinterjammersdorf im Tale der Ahnungslosen besoffene Bio-Deutsche auf ihrem Dorffest mal wieder Radau gegen die vielen exotischen Menschen gemacht haben, die ihnen ja so fleißig ihr Land strittig machen wollten.
Und genau deshalb ist diese Empörung eine einzige Farce, weil alle diejenigen, die jetzt aufschreien, immerzu im Alltag ihre Augen verschlossen halten, wenn im Bus mal wieder ein jugendlicher mit nicht weißer Hautfarbe wegen zu lauter Musik angepöbelt wird. Ihr solltet euch eigentlich umso mehr schämen, dass wir nicht einmal 100 Jahre nach einem der größten Völkermorde der Menschheitsgeschichte wieder an einem Punkt angekommen sind, an dem Menschen aus rassistischen Gründen ausgegrenzt und beschimpft werden und das eben ganz unter dem Schutze und unter dem Wachsamen Blick einer gesamten Gesellschaft.
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Dass das in eine Zeit fällt, in der eine faschistische Partei in Deutschland kurz davorsteht, nach Landtagswahlen erstmals wieder Ministerpräsidenten zu stellen, ist bezeichnend. Denn spätestens nach dem Remigrationsgeheimtreffen rechtsextremistischer Fadenzieher sollte allen bewusst sein, was für eine Gefahr von diesen Menschen ausgeht. Es zeigt sich aber immer mehr: Ein großer Teil dieser Gesellschaft hat aus der Geschichte nichts gelernt und wenn diejenigen, die es verstehen, nicht aufpassen, wiederholt sich alles.
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